Mariana war geschockt und traurig, doch Omar ging es nicht anders. Auch Omars Vater redete auf seinen Sohn ein: „Du kannst keine Christin zur Frau nehmen. Sie ist eine Ungläubige und wir Berber Rechtgläubige. Das allein zeigt, dass es nicht geht. Zudem wollen die Katalanen uns aus unserem Land vertreiben. 

Mallorca und Menorca sind schon gefallen*, und seit einiger Zeit versuchen sie, auch die anderen Inseln zu erobern. Lerne du das Schmiedehandwerk, denn wir brauchen viele Waffen, wenn unsere Feinde kommen.“

Aber da sich Liebe, wie jeder weiß, so einfach nicht verbieten lässt, fanden die beiden trotz der väterlichen Machtworte einen Weg, sich zu treffen.

Mariana erzählte ihrem Vater, sie müsste die Ziegen weiter von Can Parra, wo ihr Rafal lag, in Richtung Cap de Barbaria treiben, weil dort saftigeres Gras wüchse. Das war – und ist auch heute noch – natürlich vollkommener Blödsinn, aber da zu damaliger Zeit kein vernünftiger Mensch auf den Gedanken kam, freiwillig bis zum Cap zu gehen, schöpfte ihr Vater keinen Verdacht. Und Omar entfernte sich so oft es ging aus der Schmiede um zum Cap zu laufen und dort Mariana zu treffen. Die Ziegen knabberten zunächst missmutig an dem spärlichen Grün und an den Rosmarinbüschen, doch erstaunlicherweise wurden sie von Tag zu Tag kräftiger.

Die beiden Liebenden hatten sogar eine Höhle entdeckt, in der sie Schutz suchen konnten: Ein einfaches Loch im Boden, durch das man hinunterstieg in eine kleine Höhle, die sich in Form eines Balkons an der Steilküste weit oberhalb des Meeres öffnete. Dort saßen sie, spähten mit zusammengekniffenen Augen, ob sie die Küste Afrikas erkennten, schwatzten miteinander und küssten sich...

Doch eines Tages kam Omar hastig angelaufen. „Ibiza ist gefallen.** Sie metzeln alle Berber nieder. Ich muss weg. Aber ich verspreche dir, dass wir uns wiedersehen.“ Omar küsste Mariana ein letztes Mal und hastete zurück zu seinen Leuten.

Mariana blieb wie gelähmt in der Höhle zurück. Erst als sie die Boote der Berber, die tief unter ihr gen Afrika segelten, sah und ihr Omar noch einmal zuwinkte, erwachte sie aus ihrer Starre. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie weinte bitterlich.

Ich gehe hier nie wieder weg, ich warte auf dich hier in der Höhle,“ rief sie über die Klippen den Schiffen hinterher.

Die Ziegen erfreuten sich ihrer Freiheit, lernten das Klettern in der Steilküste und vermehrten sich. Noch heute kannst Du sie, wenn Du ganz leise bist, auf dem Cap de Barbaria sehen; und wenn Du weniger leise bist, siehst Du zumindest ihre Hinterlassenschaften.

Und wenn Du meinst, es wäre der Wind, der Dir am Cap de Barbaria immer in den Ohren tönt, so täuscht Du Dich. Es ist das Weinen und Wehklagen von Mariana, die um ihren Liebsten trauert.

* 31. Dezember 1229 - Eroberung von Palma de Mallorca durch die Katalanen

** 1235 – Ibiza ergibt sich den Katalanen

Fortsetzung

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