So verbrachte sie Jahrhunderte auf dem
menschenleeren Trucadors, nun angewidert von den endlosen Kriegen der Menschen
um sie herum. Und sie gedachte ihrem Gemahl, dem Hirtenkönig Dumuzi.
Er liebkoste meine Lenden
mit seinen schönen Händen
Der Schafhirte Dumuzi
er füllte meinen Schoß
mit Sahne und Milch
Er liebkoste meine Scham,
er tränkte meinen Leib
Er legte seine Hand
in meinen heiligen Schoß
Er machte geschmeidig
mein schwarzes Boot mit süßer
Sahne
Er belebte mein flaches
Boot mit Milch
Er verwöhnte mich zärtlich
auf dem Bett
Nun werde ich meinen
Hohepriester
auf dem Bett verwöhnen
Werde liebkosen
den treu ergebenen Hirten
Dumuzi
Werde liebkosen seine
Lenden,
das Hirtentum des Landes
Ich
werde ihm ein süßes Schicksal bereiten.
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Dumuzi |
Astarte und
Dumuzi |
Sie verachtete die Menschen, die nichts
dazu lernen konnten. Kriege wohin sie sah. Krieger, die im Namen Gottes kämpften.
Wie kann im Namen Gottes Krieg geführt werden, fragte sie sich nun. Sie sah
einen Krieg, in dem sich die Bewohner des Landes gegenseitig niedermetzelten.
Sie sah einen Krieg, der fast die ganze Welt verwüstete, mit Waffen, deren
Wirkung das Vorkommnis auf Espalmador als kleines Feuerwerk erschienen ließ.
Dann begann
eine Invasion auf ihre Insel Formentera, doch diesmal war alles anders.
Erstaunt stellte Astarte fest, dass die neuen Invasoren in friedlicher Absicht
kamen, willkommen geheißen von den Bewohnern der Insel. Und Astarte schöpfte
Hoffnung für die Menschheit und beschloss, sich zumindest auf dem Trucadors
den Menschen wieder zu zeigen.
Als Hilfe benötigte
sie einen Menschen, auf der Suche nach der großen, ja sogar nach der ewigen
Liebe. Denn hatte nicht sogar sie, die große Göttin, ihren geliebten Ehemann
Dumuzi in der Not schmählich verraten und dem Tod geweiht? Wenn nicht einmal
Götter davor gefeit sind, zu versagen; wenn nicht einmal bei ihnen die Liebe
ewig ist, wie kann sie es dann bei den Menschen sein? Ewig ist nichts von
dieser Welt, nicht einmal das unendliche Weltall. Ewig kann nur ein Gott sein.
Dann meinte Astarte, ihn entdeckt zu
haben – den Menschen, den sie für ihr Vorhaben suchte. Hatte sie ihn
gefunden, den reinen Toren? Sie war sich nicht sicher und so beobachtete sie
ihn eine lange Zeit. Er kam immer wieder zurück auf die Insel, Erholung
suchend und – das sah Astarte – immer noch die große, ewige Liebe.
So lenkte sie
eines Tages seine Schritte zu der Stelle Formenteras, zu der sie ihm jahrelang
den Zutritt verwehrt hatte, zum Trucadors. Dort hatte sie sowohl am Ost- wie
auch am Westufer jeweils einen riesigen Baumstamm anschwemmen lassen. Er sah
nur den Stamm auf der Seite des Sonnenuntergangs, dort wo nur die Göttin der
Liebe residieren konnte.
Astarte
sah, dass sie den Richtigen ausgewählt hatte. Er fing an,
Steine zu
schleppen, Baumstämme zu verankern, Tampen zu verknoten, emsig, fleißig,
aber ohne Hast – zunächst nicht wissend, warum überhaupt. Und so schuf er
im Laufe der Jahre ein Bauwerk, geheimnisvoller als Englands Stonehenge,
phantastischer als Menorcas Taules und mystischer als Sardiniens Nuraghen: La
Riada, die Steinstadt.
La Riada stemmt
sich den Stürmen und Flutwellen entgegen, die von Westen, der Richtung des
Sonnenuntergangs und der Liebe, an ihren Grundfesten rütteln. Und sie
widersteht auch den schlimmsten Unwettern.
Da erkennt er:
Sein Bauwerk ist wahrlich groß, aber es wird nicht ewig sein.
Und Astarte lächelt.
Wenn Du, lieber
Besucher der Insel, nicht nur am Strand von Illetes oder Llevante in der Sonne
schmorst, sondern auch einmal den weiten beschwerlichen Weg zum Trucadors
findest und vor der geheimnisvollen Steinstadt La Riada stehst, so spürst Du
vielleicht die Magie dieses Ortes der Liebe. Und falls Du nichts spürst, so
gräme Dich nicht. Irgendwann zeigt Astarte auch Dir den Weg zur wahren großen
Liebe. Genieße den herrlichen Blick auf Eivissa und Es Vedra und versuche,
das Geheimnis von La Riada zu ergründen.
Doch verrücke
niemals absichtlich auch nur einen Stein von La Riada. Denn nur eines kann
Astarte dazu veranlassen, noch einmal ihr zweites Ich zu zeigen: Wenn ein
Mensch sich an ihrer La Riada vergreift. Dann hüte Dich vor ihr, denn sie
wird wieder zur wilden, grausamen, ungestümen Löwin, die sich wie ein
Drachen mit schrecklichem Geschrei auf ihre Feinde stürzt:
Astarte
Die
große Göttin
Copyright:
Hans-Lothar Klatt |